Wasserproben
Wie man im Moor Wasserproben sammelt, wurde hier bereits erläutert.
Für die Untersuchung von Wasserproben benötigt man in aller Regel ein Mikroskop, wobei hierbei kein teures Markenmikroskop nötig ist. Hier ist meine eigene Ausrüstung beschrieben. Geringfügige Optimierungen sind nicht ausgeschlossen.
Nach der Rückkehr aus dem Moor sollte man mit der ersten Sichtung der Proben nicht zu lange warten, denn nicht wenige Mikroorganismen, vor allem Tiere, sterben nach Entnahme aus ihrem speziellen Milieu (dazu gehört auch die Wassertemperatur) recht schnell. Dies gilt vor allem für die kalte Jahreszeit, wenn die Außen- und Raumtemperaturen stark differieren. Nach der ersten groben Durchsicht des Probenmaterials verteile ich es auf mehrere Marmeladen- oder Sugo-Gläser. Auf Kunststoffbehältnisse verzichte ich, da sich darin - meiner Erfahrung nach - die Proben nicht lange halten.
Proben aus einem Gebiet sollte man nicht einfach zusammenschütten. Solches Material ist nicht nur wenig aussagekräftig, auch hält es sich meist nicht lange. Es reichen bei den hochspezialisierten Moor-Organismen bereits geringste Milieuverschiebungen, um sie zum Absterben zu bringen. Zusammenschütten kann man aber Probenmaterial von sehr eng beieinander liegenden Entnahmestellen, sofern sich bei der ersten Sichtung gezeigt hat, dass sich das Artenspektrum der einzelnen Behältnisse nicht markant unterscheidet. Unterscheidet es sich, sollte man sie unbedingt in jeweils eigenen Gefäßen aufbewahren. Stets werden die Gefäße mit Fundort und Datum beschriftet, niemals die Deckel derselben, da man diese leicht verwechseln kann.
Meine beschrifteten Probengläser am halbschattigen Fenster
Ich halte es so, dass die Organismen nach der mikroskopischen Untersuchung stets wieder in das Probenwasser oder in ein separates Glas gespült werden, d.h. es wird nichts verworfen. Dafür verwende ich eine 10-ml-Spritze mit Nadel sowie sauberes Regenwasser. Unser Leitungswasser (unbehandeltes Quellwasser aus den Loferer Steinbergen) verwende ich ausschließlich für Wasserproben aus dem Pillerseemoor, da sich der pH-Wert nicht unterscheidet und dieses Niedermoor eh durch genanntes Quellwasser gespeist wird. Beim Mikroskopieren achte ich darauf, dass meine Hände sauber und auch nicht frisch eingecremt sind. Auch sonst ist - sofern die Präparate nach den Untersuchungen wieder in ihr Medium zurückgespült werden - auf peinliche Sauberkeit zu achten. Der Inhalt der Probengläser entspricht nicht mehr den natürlichen Bedingungen des Fundorts, weshalb er ausgesprochen empfindlich auf jedwede Verunreinigung reagiert.
Meine Probengläser sind an halbschattigen Fenstern untergebracht. Der Deckel liegt ihnen nur locker auf, so dass stets ein wenig Sauerstoff in die zu max. zwei Drittel gefüllten Gläser dringen kann, aber nur wenig Wasser verdunstet. Auf diese Weise bleiben meine Proben z.T. weit über zwei Jahre lang intakt. Beginnt das Wasser zu stinken oder wird trübe, muss es entsorgt werden, denn dann ist die Probe "gekippt" und somit unbrauchbar geworden.
Das Umkippen von Probenmaterial kann sehr schnell gehen, insbesondere dann, wenn es zu dunkel und unter Luftverschluss aufbewahrt wird. Auch mehrzellige, im Probenglas absterbende Organismen können für ein schnelles Umkippen verantwortlich sein. Alle Organismen, die Photosynthese betreiben (und damit Sauerstoff produzieren), benötigen für ihren Stoffwechsel Licht, am besten Tageslicht. In der Dunkelheit ruht die Photosynthese. Die Pflanzen verzehren Sauerstoff, um Kohlendioxyd abzugeben. Steigt der Kohlendioxyd-Gehalt bei fehlendem Licht zu stark an, sterben sie inkl. aller anderen Organismen - je nach Temperatur - innerhalb von zwei bis fünf Tagen.
Mitunter kann man das sich anbahnende Umkippen verhindern, indem man das meiste Wasser aus dem betroffenen Probenglas verwirft und mit sauberem Niederschlagswasser auffüllt. Mit dieser Methode konnte ich schon viele Proben retten, ohne sie mittels Chemie konservieren zu müssen.
Armleuchteralgen aus Niedermooren halten sich in Proben kaum länger als zwei Tage. Sterben sie ab, stinken sie bestialisch. Da in Proben mit Armleuchteralgen oft schöne und seltene Kieselalgen sowie interessante Rädertiere zu finden sind, lasse ich sie vor dem Abfüllen ins Probenglas durch ein feinmaschiges Haushaltssieb laufen.
In länger stehenden Proben verändert sich das Artenspektrum. Erste Veränderungen sind bereits nach zwei Tagen zu bemerken. Dies ist normal. Einzelne Organismen vermehren oder verändern sich, andere verschwinden. Dies zu beobachten, ist durchaus interessant. Auch abgestorbenes Material (vor allem von Kiesel- und Zieralgen) kann wertvoll sein, denn es lässt sich als totes Skelett mitunter viel leichter bestimmen. Gerade bei den Kieselalgen gibt es allerlei Reinigungsmethoden, um zwecks leichterer Bestimmung das bloße Skelett zu gewinnen. Ich wende nichts davon an, sondern lasse die Zeit für mich arbeiten.
Wie sehr sich einzelne Arten nach längerer Zeit im Probenglas (in diesem Fall ca. 6 Monate) verändern können, zeigt dieses Foto einer Micrasterias truncata:
Nachdem ich diese Variation in der Probe ca. 30x und in stets identischer Form gefunden hatte, war ich zunächst davon überzeugt, es mit einer neuen Art zu tun zu haben, bis ich nach drei Tagen intensiver Untersuchungen dies sah:
Dieses Erlebnis zeigt mir, dass ältere Proben sehr kritisch betrachtet werden müssen. Dies gilt nicht nur für Desmidiaceen, sondern auch für Schalenamöben, die in Probengläsern die absurdesten Formen annehmen können. Centropyxis-Arten sind dafür offenbar besonders anfällig.
Allerdings können sich in älteren Proben einzelne Arten vermehren, die im frischen Material derart selten vorkamen, dass man sie nicht entdeckte.
Das Verschicken von lebenden Proben ist mit Vorsicht zu genießen, denn sehr oft kommt beim Emfänger nur eine tote Brühe an. Die Ursache liegt auf der Hand: Die in nicht zerbrechlichen Kunststoffbehältern verschickten Proben lagern besonders bei Sendungen ins Ausland tagelang im Dunkeln, sind im Winterhalbjahr starken Temperaturschwankungen ausgesetzt, im Sommer mitunter zu großer Hitze. Zuverlässig verschickungsfähig sind eigentlich nur entmooste Hochmoorproben (Detritus und etwas Standortwasser), womit dann natürlich all jene Organismen dezimiert sind, die sich mit Vorliebe in lebenden Moosen aufhalten. Dies gilt insbesondere für lebende Amöben, Räder- und Bärtiere.
Etwas heikel sind - wie oben schon erwähnt - Sammlungen während der kalten Jahreszeit, wenn sich Außen- und Raumtemperaturen extrem unterscheiden. Im Winter gesammelte Proben werden bei mir deshalb zunächst in einem hellen, jedoch unbeheizten Raum untergebracht. Nach 2-3 Tagen Anpassung kann man sie auch bei Raumtemperatur lagern.